01.04.2013 von
Thema: Reihenfolge im Prädikat
01.04.2013 von
01.04.2013 von System1
Ich  bin  beim Fenster gestanden und habe  Kaff'ee  getrunken, obwohl ich eigentlich  arbeiten hätte sollen .
Ich  habe  am Fenster gestanden und  'Kaffee  getrunken, obwohl ich eigentlich  hätte arbeiten sollen. 
Diese zwei Sätze gibt man mir als Beispiel der Differenz zwischen dem österreichischen und dem deutschen Deutsch. Die Unterschiede sein/haben und Ka'ffee/'Kaffee sind mir bekannt. Die unterschiedliche Reihenfolge bei dem Prädikatrest aber nicht.
Kann man dazu eine Regel für den österreichischen Sprachgebrauch formulieren?
Gibt es einen Unterschied zwischen Hauptsätzen und Nebensätzen?
Wie ist es mit Zeitwörtern mit trennbarer Vorsilbe? z.B. (ein Fass) aufmachen
Wie mit 'kombinierten Verben' wie 'gehen lassen', 'glauben machen' ?
Vielen Dank.     
02.04.2013 von System1
Ich  bin  beim Fenster gestanden und habe  Kaff'ee  getrunken, obwohl ich eigentlich  arbeiten hätte sollen .
Vielen Dank.
Präteritum / Konditional:
Ich stand am Fenster und trank Kaffee, obwohl ich eigentlich arbeiten sollte.     
04.04.2013 von Koschutnig
Präteritum / Konditional:
Ich stand am Fenster und trank Kaffee, obwohl ich eigentlich arbeiten sollte.
Was  oberhaenslir, ein Schweizer,    hier schreibt, ist  kein "Präteritum/Konditional" 
  ich sollte  arbeiten   ist nämlich entweder
* Konjunktiv I des Präsens 
oder 
*Indikativ des Präteritums/Imperfekts (das die Österreicher "Mitvergangenheit" , Deutsche aber "Vergangenheit" nennen, ein Wort, das  in Österreich  aber das  Perfekt meint) .
Als „Konditional“ wird gewöhnlich die Ersatzform des Konjunktiv II durch würde + Infinitiv bezeichnet.
Wofür sich   Kiat   jedoch interessiert, ist der 
 Konjunktiv II der Vergangenheit mit Modalverben  
und weiters die Reihenfolge der Teile.
Die Modalverben bilden den Konjunktiv II der Vergangenheit mit dem Hilfsverb haben im Konjunktiv II sowie einem "doppelten Infinitiv".
 
Der Standard verlangt nun,  dass das Modalverb an das Satzende gestellt wird.  In österreichischer Umgangssprache sind jedoch ebenso wie bei der Perfekt-Bildung   von   Verb plus Modalverb  beide Stellungen gebräuchlich: 
	
Perfekt: 
Standard: 	Ich  habe gestern arbeiten müssen.  
Österr. auch: 	Ich  habe gestern  müssen arbeiten.. 
Konj. II mit Modalverb: 
Standard:       Ich hätte gestern arbeiten müssen .
Österr. auch:   Ich hätte gestern müssen arbeiten 					
Verba  mit trennbarer Vorsilbe bleiben im Infinitiv intakt.aufmachen					
					
Im eingeleiteten Gliedsatz existieren ebenfalls beide von Kiat angeführten Wortstellungsvarianten nebeneinander.
Standard:  obwohl ich eigentlich  hätte arbeiten/aufmachen sollen/müssen.  
Österr. auch:  obwohl ich eigentlich arbeiten/aufmachen hätte sollen..  
Ich glaube nicht, dass dem Österreicher auch nur im Entferntesten bewusst ist, dass eine  davon nur  regional-österr. ist.
NIE jedoch verwenden Österreicher  die deutsche umgangssprachliche Variante
mit dem Partizip II des Modalverbs: Ich habe/hätte arbeiten gemusst/gesollt/gedurft....
Hingegen stößt man in Österreich häufig auf das Umgekehrte, also den Infinitiv auch beim Vollwerb statt des hochsprachlich korrekten 2. Partizips:
Standard: Anna hat zu ihrer Schwester gewollt. 
Österr. ugs. meist.:  Anna hat zu ihrer Schwester wollen 
Standard: Ich habe zum Arzt gemusst 
Österr. ugs. meist: Ich hab zum Arzt müssen.
 
Standard: Er hat das Gedicht  es wieder nicht gekonnt Österr. ugs. meist:  Er hat das Gedicht es wieder nicht können.
Standard: Sie haben nur selten ins Freie gedurft.
Österr. ugs. meist:  Sie haben nur selten ins Freie dürfen.
Der Grund mag in der gleichzeitigen Assoziation mit einem 2. Verb liegen: zu ihrer Schwester gewollt > fahren wollen¸ zum Arzt gemusst > gehen müssen; Gedicht  nicht gekonnt > aufsagen können, ins Freie gedurft > gehen dürfen     
08.04.2013 von JoDo
Koschutnig: Bitte vor den Vorhang!
Was unsereinem so ohneweiteres von der Leber und von den Lippen läuft, ist ja grammatikalisch nicht so ohne weiteres nachvollziehbar.
Koschutnig hat es zuwege gebracht all das in geordnete Bahnen zu leiten.
Dafür gebührt  dem Kärntenr das uneingeschränkte Wohlwollen des Wieners.
(dees soi wås haassn´n! > das soll "etwas" bedeuten!)     
09.04.2013 von System1
Ich bedanke mich beim Kärntner für seine ausgiebigen Erläuterungen.
Der Standard verlangt nun, dass das Modalverb an das Satzende gestellt wird. In österreichischer Umgangssprache sind jedoch ebenso wie bei der Perfekt-Bildung von Verb plus Modalverb beide Stellungen gebräuchlich:  Im Niederländischen ist in ähnlichen Sätzen nur eine Folge erlaubt, und es freut mich dass es die 'österreichische' ist      
29.06.2013 von System1
Ergänzung:
Gemeindeutsch (Standarddeutsch in at, ch, de):
"Ich habe am Fenster gestanden und Kaffee getrunken, obwohl ich eigentlich hätte arbeiten sollen."
"Ich stand am Fenster und trank Kaffee, obwohl ich eigentlich hätte arbeiten sollen."
Österreichisches und deutschschweizerisches Standarddeutsch:
"Ich bin am Fenster gestanden und habe Kaffee getrunken, obwohl ich eigentlich hätte arbeiten sollen."
Hinweis:
'obwohl ich eigentlich hätte arbeiten sollen' ist als Satzglied abschliessend eine Kausaladverbiale (Weshalb?). Prädikate können nur im Hauptsatz funktionieren, hier als 'habe … gestanden' und 'getrunken'.     
29.06.2013 von System1
Präteritum / Konditional:
Ich stand am Fenster und trank Kaffee, obwohl ich eigentlich arbeiten sollte.
Was  oberhaenslir, ein Schweizer,    hier schreibt, ist  kein "Präteritum/Konditional" 
Danke. Ich weiss das alles. Diese unsinnige Zusammenführung in nur einen Modus ist stark daran mitschuldig, dass kaum noch jemand die korrekten Formen schreibt und spricht. Ich bleibe deshalb bei den zwei unterschiedlichen Modalformen Konjunktiv und Konditional. Das hat gar nichts damit zu tun, dass ich Schweizer sein soll.     
